Warm durch die Nacht - Tourbericht 30.12.2015
Rita kam. Wir freuten uns, sie nach ihrem Krankenhausaufenthalt endlich mal wiederzusehen. Aber sie kam nicht mit leeren Händen. Sie brachte uns allerhand, um unseren Vorrat für die nächsten Touren aufzufüllen und dann noch frisches Obst für die heutige Tour. Ganz herzlichen Dank dafür!
Und plötzlich fuhr Michael vor. Im Kofferraum unser reparierter Bollerwagen, den er uns noch schnell für die Tour aus Kray brachte. Großartig! Ein lieber Mensch hatte ihn uns geschweißt. Ob er weiß, wie sehr er uns die Tour damit erleichtert hat? Danke schön!
Schnell wurde umdisponiert und umgepackt, so dass wir nun doch mit einem großen Konvoi losziehen konnten: Suppenfahrrad, Bollerwagen, Leichthandwagen, 2 Hackenporsche. Inzwischen eilte Michael erneut zurück nach Kray, um dort noch Gebäck und Brot von der Bäckerei Förster zu holen und Vroni sorgte auch noch für die Suppenschalen, die uns fehlten. Alles wurde uns dann von den beiden zum Cafe Nord geliefert.
Ingrid lief sich „die Hacken wund“, mit Andreas zum Alta, um dort noch die Kleidung aus dem Einkaufswagen zu holen, und nochmal zurück zum Schuppen, um für M. eine neue Ausstattung zusammenzustellen und bei der Gelegenheit für Sh., den wir durchgefroren am Nord trafen, eine warme Jacke zu besorgen.
Schließlich war unsere Karawane vollständig und wir konnten gemeinsam uns unseren Leuten zuwenden.
Begeistert aßen sie den Wirsingeintopf. Viele nahmen einen Nachschlag. Mit Genuss aßen sie das süße Gebäck zum Nachtisch oder ließen sich etwas einpacken zum Mitnehmen.
Die Nachfrage nach Kleidung und Schuhen war enorm groß. Im Nu leerte sich unser Bollerwagen und unser Schuhvorrat.
Wir alle spürten, dass es zunehmend kälter wurde. Auch der Wind war äußerst unangenehm. Irgendwie waren wir nicht darauf eingerichtet und werden bei der nächsten Tour viele warme Pullover, Schals Mützen und Handschuhe mitnehmen müssen.
A. kam auf uns zu, als wir noch am Nord standen. „Frohe Weihnachten noch nachträglich!“ meinte er mit strahlendem Gesicht. Er hätte über Weihnachten leider einsitzen müssen, das hätte er so auch nicht geplant. Deshalb habe er uns ja leider nicht gesehen. Er ließ sich von uns mit Essen und reichlich warmer Kleidung versorgen und bedankte sich ganz herzlich dafür.
Nach langer Zeit kamen auch das Pärchen M. und A. mal wieder auf uns zu. Während vor allem M. uns wegen vorausgegangener Konflikte bei den letzten Touren mit Nichtachtung gestraft hatte, war der Druck nun doch so groß, dass er uns wegen Schuhen und einer warmen Hose ansprach. Wieder war sein Ton so pampig, dass ich ihn zunächst zurechtwies. Erst, als er freundlicher wurde, zückte ich meinen Schreibblock und notierte seine Wünsche für die nächste Tour. Einzelne müssen wir uns dann eben doch noch ein wenig erziehen. Mal sehen, wie lange M.‘s Freundlichkeit vorhält.
Es gab dann noch viele sehr schöne Begegnungen.
Ein älterer Rumäne erhielt eine warme Winterjacke und ein paar Schuhe. Sein Blick sprach Bände und er sagte etwas zu uns, was wir zwar nicht verstanden, aber seiner Mimik war anzusehen, dass es etwas sehr herzliches freundliches gewesen sein muss.
Ein weiterer junger Mann erhielt Schuhe, die er dringend brauchte. Für uns so ein tolles Gefühl, wenn wir diese Wünsche erfüllen können. Er betrachtete sie von allen Seiten und schließlich las er eine Aufschrift und sagte begeistert: „Boah, das sind ja sogar Markenschuhe!“
An der Post trafen wir W., zu dem Andreas sehr schnell einen guten Draht hatte. W. genoss die Zuwendung sehr und schüttete weinend sein Herz aus, am Ende in den Armen von Andreas. Er hatte so großen Gesprächsbedarf, dass er vergaß seine warme Suppe zu essen und immer wieder daran erinnert werden musste. Mir schoss ein Gedanke in den Kopf: „Wie lange mag er wohl von niemanden mehr in den Arm genommen worden sein?“ Und diese Frage stell ich mir bei vielen unserer Schützlinge. Traurig! Aber auch wieder schön, dass wir das geben können.
Unser leckerer Wirsingeintopf war inzwischen leer und Birgit hatte die Behälter mit Chinatopf aufgefüllt. Als manche gerade aßen, schwärmte ein junger Mann den anderen vor, es habe vorher Essen aus einem richtigen Restaurant gegeben. „Das war richtig geil! Davon hättet ihr essen müssen!“
Danach hielt er eine Ansprache an die anderen, wie kaputt und böse doch die Gesellschaft wäre und indem er auf uns wies meinte er „diese Menschen mal ausgenommen!“
Wir standen noch lange zusammen. Als ich so in die Runde guckte, wurde mir bewusst, für wieviele Menschen wir in diesem Jahr zu einer wichtigen Anlaufstelle und zu Vertrauenspersonen geworden sind. M. sagte mir, wie gerne er bei uns mitarbeitet und wie wichtig ihm das ist. Er gehört ja inzwischen voll zum Team und lässt keine Tour aus.
Wir haben im Laufe des Jahres viele Einzelschicksale erfahren; einigen haben wir helfen können, einen neuen Weg zu gehen, sei es in einer Wohnung oder durch das Antreten einer Therapie, mit vielen haben wir gehofft und wurden manches Mal auch enttäuscht.
Aber dass das alles Sinn macht, zeigen sie uns immer wieder!
Schließlich verabschiedeten wir uns von einander mit guten Wünschen für das neue Jahr und versprachen, schon Neujahr wieder zu kommen. Das hatten wir inzwischen beschlossen.
Auf dem Rückweg konnten wir dann auch noch eine bildhübsche Fellnase glücklich machen. Sein Besitzer meinte, dass das Nassfutter für ihn etwas ganz besonderes sei, denn so etwas bekäme er selten. So war auch die Schale schnell geleert und es blieb kein Krümel übrig.
Vor Monaten hatte ich mal den Ausdruck „City-Familie“ geprägt und erhielt dafür Kritik. Aber ich bleibe dabei und beziehe mich dabei zum einen auf das tolle Team, mit dem ich gestern Abend wieder Hand in Hand arbeiten durfte und zum anderen auf all die Menschen, denen wir bei den Touren begegnen, weil wir inzwischen für einige sicher wirklich eine Art Familienersatz geworden sind. Denn sie haben sonst niemanden, dem sie ihren Kummer erzählen können, der sie mal in den Arm nimmt, der für ihr leibliches Wohl sorgt und der verlässlich regelmäßig für sie da ist.
Also bleibt uns da auch für das Jahr 2016 eine wichtige Aufgabe.