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Unwetter Zentrale

Warm durch die Nacht - Tourbericht 11.09.2015

einen jungen Mann, der angeblich eine Jacke gestohlen hätte. Während zwei Frauen an ihm zerrten und ihn beschimpften, versuchten andere, die beiden zurückzuhalten. Auch wir griffen ein, denn wir bestehen darauf, dass rund um unser Suppenfahrrad „Konfliktfreie Zone“ zu sein hat.
Wir schützten den jungen Mann, der gar nicht verstand, wie ihm geschah. Die Frauen hatten inzwischen erkannt, dass ihr Verdacht ein Irrtum war. Nun bedrängten sie ihn aber wiederum, um sich zig Mal bei ihm zu entschuldigen. Dadurch, dass beide auch stark angetrunken waren, nahmen sie nicht wahr, wie sehr sich der junge Mann in die Enge getrieben fühlte. Wir nahmen ihn bei Seite und kamen mit ihm ins Gespräch. Es stellte sich heraus, dass es sich um einen jungen Syrer handelte, der nun seit einem Jahr in Deutschland lebt. Er sprach noch wenig deutsch, hat sich aber mit Gestik verständlich machen können, schauspielerisch talentiert, so dass wir eine Menge erfahren haben:
er wohnt in einer Wohnung, geht mehrmals in der Woche zum Deutschunterricht und  ist ohne Familie hier. Wie er uns dann erklärte, dass er dringend eine Waschmaschine braucht, das war schon genial.
Mit vielen Handbewegungen und –deutungen und Zwischenfragen unsererseits, wie bei einem Quiz, glauben wir, verstanden zu haben, dass er sich in seiner Kleidung nicht mehr wohlfühlt, dadurch dass er sie ständig trägt und nicht waschen kann. Er trug nur eine dünne  Jacke und ein T-Shirt. Also statteten wir ihn zunächst mit warmer Kleidung aus und packten ihm auch Hygieneartikel und Brot ein. Sein Blick sprach Bände! Er war unendlich dankbar und auch erleichtert, dass wir uns seiner annahmen und ihn auch vor den Frauen schützten.
Wir notierten seine Adresse und Telefonnummer und wollen uns für ihn, wie auch um jemanden weiteren um eine Waschmaschine bemühen. Wir legten ihm nahe, er solle sich regelmäßig bei uns melden und nachfragen. Wir sind uns nicht sicher, ob er das verstanden hat. Auch ein Telefongespräch mit ihm wird dann sicher schwierig werden, denn er wird uns nicht verstehen.
Inzwischen war uns das heiße Wasser ausgegangen und wir gingen, wie morgens telefonisch abgesprochen, zur Bahnhofsmission, um neues zu holen. Während wir dort warteten, bekamen wir mit, dass man sich dort gerade um einen jungen Mann bemühte, der von Hamburg aus in Essen gestrandet war, ohne jegliches Gepäck und nur in einem dünnen T-Shirt. Es gelang nicht, ihm einen Notschlafplatz zu vermitteln und man empfahl ihm, sich morgens wieder zu melden. Für die Nacht bot man ihm einen dicken Pullover an, mehr könne man jetzt nicht für ihn tun. Wir schalteten uns ein und boten an, ihn mit zur Post zu nehmen, wo der Rest des Teams wartete und ihn irgendwie für die Nacht auszustatten. Bereitwillig ging er mit. Ich fragte ihn, warum er sich ganz ohne Gepäck auf so eine weite Reise begeben hätte. Er antwortete mir grinsend: „Das hab ich halt einfach so gemacht.“
Während er mit großem Appetit und offensichtlich äußerst hungrig eine Suppe aß, versuchten wir noch telefonisch beim CVJM nach einem Notschlafplatz für ihn zu fragen. Leider war dort alles belegt und für den Raum 58 war er mit seinen 26 Jahren zu alt. Da wir fürchteten, dass er die Nacht würde draußen verbringen müssen, boten wir ihm an, ihn mit einem Schlafsack und einer Isomatte auszustatten. Dieses lehnte er aber gleich energisch ab. Er würde auf keinen Fall draußen schlafen, er würde dann lieber weiter nach Köln oder zurück nach Hamburg reisen. Dann nahm er aber doch dankend eine Strickjacke von uns an und wir packten ihm eine Tüte mit Proviant zusammen. Da er aber dann doch etwas abseits verweilte und gar keine Anstalten machte, zurück zum Bahnhof zu kommen, gab Michael ihm vorsichtshalber einen Zettel mit Adressen von Anlaufstellen mit, damit er, für den Fall, dass er in Essen bleibt, sich am nächsten Tag irgendwohin wenden kann.
Parallel zu diesen Szenen liefen viele Einzelgespräche und wir erfuhren einiges über die Lebenssituation und über die Nöte Einzelner. Ingrid lief fast den ganzen Abend mit einer Kladde und einem Stift auf und ab und machte sich Notizen, wer was jeweils braucht. Es gab Zeiten, da reichte ein kleiner Zettel, das ist mittlerweile bei dem Andrang, den wir haben, nicht mehr ausreichend. Und uns liegt daran, dass sich die Leute ernstgenommen fühlen, wenn sie sich mit ihren Nöten vertrauensvoll an uns wenden. Dadurch können wir nun in einzelnen Fällen ganz konkret und gezielt helfen.
Auf dem Rückweg verteilten wir noch die letzte Suppe und Brot. Unser G. begleitete uns bis zum Schluss und übernahm das Ziehen des Bollerwagens. Am kommenden Dienstag wird er 50 und das wird sicher eine ganz besondere Tour. Er ist uns besonders ans Herz gewachsen und wir wollen diesen Ehrentag mit ihm gebührend feiern.
Viele Leute vermissen wir inzwischen bei unseren Touren. Einige wissen wir in guten Händen wie Klinik, Therapie oder indem sie bei Freunden untergekommen sind. Aber es gibt eben auch Menschen, die wir über Wochen betreut haben und ganz plötzlich aus den Augen verloren haben.
Da bleibt bei uns die Sorge, was aus ihnen wohl geworden sein mag.


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